HÜRDEN BEI DER INTERNATIONALISIERUNG
Interview mit Tammo Mamedi, Co-Gründer der Marken- und Produktagentur overnice
Tammo Mamedi ist Co-Gründer der Marken- und Produktagentur overnice. Overnice versteht sich Wissen und Kultur zu transferieren, um Digitalisierungsstrategien für Unternehmen zu entwerfen. Dabei ist die Internationalisierung ein besonders wichtiger Punkt. In dem Interview mit uns berichtet er, was Agenturen bei der internationalen Digitalisierung ihrer Kunden beachten sollten und welche Schwierigkeiten es gibt.
Hallo Tammo, stell dich und overnice doch einmal kurz vor.
Hi, mein Name ist Tammo Mamedi. Ich habe vor zwei Jahren zusammen mit meinem Partner Julian Bauer overnice gegründet, direkt aus dem Studium heraus. Wir sind eine Marken- und Produktagentur. Was das bedeutet: Wir entwickeln Marken- und Kommunikationskonzepte, aber auch Produkte im Sinne von Apps oder Websites und arbeiten dabei vor allem für Startups.
Hattet ihr bei der Gründung von overnice eine Fokuszielgruppe im Kopf und hat sich diese bewahrheitet?
Nein, nicht wirklich. Ich würde sagen es ist mehr gewachsen. Wir kamen aus der Uni raus und wollten gerne selbständig sein. Wir hatten beide vorher Arbeitserfahrung gesammelt. Es hat sich dann mit den Kunden ein wenig herausgestellt und ist so gewachsen, dass wir vor allem für Hightech-Startups arbeiten. Hightech-Startups in dem Sinne, dass es Startups mit einer neuen Technologie sind, einer neuen Anwendung.
Das sind weniger Startups, die nur auf das Disrupten von bestehenden Märkten abzielen. Gleichzeitig nehmen wir auch viel von dem was wir da lernen und was wir da von unseren Kunden mitbekommen und wie wir mit denen arbeiten und übertragen das dann auf Kunden aus der Old Economy. Also Mittelständler finden das auch immer ziemlich interessant, wie wir mit denen zusammenarbeiten und was für eine Sichtweise wir dann auf Dinge wie ihre Webseite haben.
Euer Zuhause ist die digitale Welt. Welche Charakteristika gilt es bei digitalen Konzepten besonders zu beachten?
Digitale Konzepte sind nie nur digitale Konzepte. Sie sollten immer im Zusammenhang mit der ganzen Kommunikation betrachtet werden. Sie hören nicht in der digitalen Welt auf, sondern gehören immer zu einem Unternehmen. Häufig neigt man sehr dazu sich in seiner Blase zu bewegen, wir versuchen das immer zu vermeiden – so weit es geht. Außerdem sind digitale Dinge immer in Bewegung: Technologien und Trends ändern sich wahnsinnig schnell. Ein Buch zum Beispiel wird erstellt, gelayoutet und gebunden und dann kann es eigentlich die nächsten 200 bis 300 Jahre auch gelesen werden. Das ist zum Beispiel bei einer Webseite unmöglich.
Digitalisierung wird häufig im Zusammenhang mit Internationalisierung genannt. Denkt ihr beim Entwurf von Digitalisierungsstrategien grundsätzlich international oder ist das bei euch vom Einzelfall abhängig, beziehungsweise erwarten eure Kunden international anwendbare Konzepte oder empfehlt ihr Kunden teilweise über die Landesgrenzen hinaus zu agieren?
Das ist sehr unterschiedlich. Die Metzgerei braucht kein internationales Konzept. Die Hipster-Metzgerei in Kreuzberg sollte aber vermutlich schon eine englische und vielleicht auch spanische Version ihrer Webseite anbieten. Grundsätzlich geht es darum festzustellen, in welchem Markt man agieren möchte, mit was für Kunden man sprechen möchte und dementsprechend muss man sich auch ausrichten. Wir empfehlen Kunden auch häufig internationaler zu denken.
Ein Beispiel ist da ein Stahlwalzen-Hersteller aus Deutschland. Der wollte sich wesentlich internationaler aufstellen, auch von seiner Kommunikation her. Sein Geschäft ist schon sehr international. Und der war sehr überrascht von unserem Vorschlag seine Webseite auch auf Chinesisch anzubieten, obwohl er wusste, dass einige seiner Kunden derzeit aus China kommen. Da gibt es also tatsächlich noch viele Denkmuster, die noch nicht so wahnsinnig internationalisiert sind. Und das verstehen wir aber auch als unsere Aufgabe: Da zu beraten, was Sinn macht.
Gibt es bei internationalen Projekten für euch besondere Herausforderungen? Und wenn ja, wie begegnet ihr diesen?
Auf jeden Fall gibt es besondere Herausforderungen. Da wir sowohl Konzepte als auch Gestaltung - also Designs - machen. Die orientieren sich natürlich nach Geschmacksmustern, nach Ästhetikvorstellungen, und die verändern sich einfach sehr, je nachdem wo man ist. Gleichzeitig muss man sagen, gibt es bereits so etwas wie einen internationalen Geschmack, von vielen vor allem technologiebasierten Unternehmen, die Menschen in den USA und Pakistan gleichermaßen erreichen wollen. Da gibt es einen bestimmten Geschmack und Stil, der da irgendwie gefragt ist. Aber da ist ein anderes Problem: Ein Problem für uns sind häufig die Geräte, die Leute nutzen. Peruaner haben wesentlich weniger Desktoprechner als Deutsche. Sie haben ganz andere Betriebssysteme, sie haben häufig geringere Bandbreiten. Also je nachdem wo man hin möchte, muss man sich wirklich ganz genau anschauen: Wie ist das Nutzungsverhalten der Menschen dort vor Ort?
Eigentlich fragt man ja niemanden nach seinem Lieblingskind. Aber hast du einen Lieblingskunden?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben die Arbeit begonnen mit einem deutschen Startup, die eine deep-learning-basierte App anbieten, mit der man Fotos von Pflanzen machen kann. Und die App sagt einem über Image Recognition was für eine Krankheit die Pflanze hat. Da geht’s weniger um die Blume auf dem Balkon, sondern mehr um indische Kleinbauern, deren Ernte akut bedroht ist. Und sie können über diese App, die vollkommen kostenlos ist, ein Foto schießen und bekommen sofort eine Diagnose, was der Pflanze fehlt. Sie bekommen eine Möglichkeit wie sie die Pflanze behandeln können, auf konventionelle Art und Weise, aber auch auf ökologische Art und Weise. Und das ist wirklich ein Kunde der Menschen auf der Welt hilft, der Existenzen rettet und einen sehr altruistischen Gedanken dabei hat und der kein Greenwashing ist. Die Leute meinen das wirklich so. Man merkt, dass die wirklich dafür brennen. Bei denen ist auch interessant, dass die bei den Leuten sehr gut ankommen, weil die so ehrlich an ihre Idee glauben und Leuten wirklich helfen möchten. Sie haben schon 600.000 Nutzer weltweit. Und diesen 600.000 Nutzern helfen sie auch wirklich. Viele Bauern haben natürlich ein vergleichsweise geringes Bildungsniveau, können nicht besonders gut Englisch und dementsprechend braucht man jemanden, der die Webseite auf Urdu übersetzt. Und dann machen das die Leute einfach vor Ort, weil die das Gefühl haben: Cool, da wird ihnen geholfen. Sie wollen gerne was zurückgeben und das ist sehr schön zu sehen, dass diese Internationalisierung als Herausforderung ein Stück weit von der Community gemeinsam gelöst wird.
Fazit
Marken- und Produktagenturen sollten für ihre Kunden verstehen, welchen Markt sie bedienen. Je nachdem kann ein internationales Denken beim Entwurf von Digitalisierungsstrategien sehr nützlich sein. Dabei sollte nicht nur auf die Übersetzung von Webseiten geachtet werden, sondern auch auf länderspezifische Ästhetikvorstellungen und die Nutzung verschiedener Endgeräte, die oft von Land zu Land variiert.
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