Es ist ein gängiges Bild, dass die italienische Mutter deutlich schneller spricht als die deutsche. Einer neuen Studie zufolge variiert jedoch nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Informationsrate zwischen Sprachen. Sind manche Sprachen also effizienter als andere?

Seit Ende der 1960er-Jahre beschäftigen sich Studien intensiv mit dieser Frage. Früh konnte nachgewiesen werden, dass es große Unterschiede in der Sprachgeschwindigkeit gibt. Sprachen wie Baskisch, Japanisch oder Italienisch zählen zu den am schnellsten gesprochenen Sprachen der Welt. Herausgefunden werden konnte dies durch die sich verbessernden mathematischen Methoden und den Einsatz von Computern. Untersucht wurde neben der Geschwindigkeit auch die Sprechrate bzw. der Aufwand, der betrieben werden muss, um eine Botschaft zu vermitteln. Erstmals war es möglich, nachzuweisen, wie viele Informationen pro Silbe in einer Sprache vermittelt werden. Der Weg zum Vergleich von Spracheffizienz schien geebnet. Entgegen aller Erwartungen konnte die Annahme, dass schnell gesprochene Sprachen effizienter seien, jedoch bis heute nicht belegt werden.
50 Jahre lang im Irrglauben
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Science Advances behauptet sogar Gegenteiliges. Ihr zufolge sind schnell gesprochene Sprachen wie Japanisch oder Italienisch sogar weniger effizient – zumindest pro Silbe. So nutzen Japaner zwar doppelt so viele Silben pro Sekunde wie Vietnamesen, vermitteln jedoch weniger Informationen pro Silbe.
Deshalb sei jede Sprache ungefähr gleich schnell bei der Informationsübertragung und folglich gleich effizient. Der seit 1960 existierende Irrglauben, dass schnell gesprochene Sprachen effizienter seien, ist vorerst widerlegt.
Silben und Sekunden? Nochmal langsam bitte!
In der Linguistik wird der Informationsgehalt pro Silbe gemessen und Bits genannt – ganz ähnlich wie die Maßeinheit für die Größe von Dateien. Ein Bit entspricht genau der Menge an Informationen, die benötigt wird, um die Ungewissheit zu Beginn eines Gespräches um die Hälfte zu reduzieren. Mit anderen Worten: Ist eine Silbe so konkret, dass sie von allen Dingen in der Welt die Hälfte ausschließt, enthält sie ein Bit an Informationen.
Bits und Effizienz
Die neue Studie verglich die durchschnittliche Informationsdichte (Bits pro Sekunde) mit der Sprechrate (Silben pro Sekunde) in 17 verschiedenen Sprachen bei zehn verschiedenen Muttersprachlern. Das Ergebnis: Die Informationsübertragung liegt bei allen Sprachen konstant bei ca. 39,15 Bits.
Für die meisten Linguisten ist das keine Überraschung, da es bei Sprachen einen sogenannten Handel zwischen Sprechrate und Informationsdichte gibt. Werden mehr Silben pro Sekunde gesprochen, kommen trotzdem nicht mehr Bits an. Umgekehrt vermitteln langsamere Sprachen mehr Bits pro einzelner Silbe. Bei steigender Sprechrate verringert sich parallel die Informationsdichte.
Kritik an der Repräsentativität
Obwohl die Studie einen Meilenstein der Sprachforschung darstellt, steht sie durchaus auch in der Kritik. So sei die Studie nur ein erster Schritt in der Erforschung der Spracheffizienz. Hauptkritikpunkt ist, dass nur 17 vorwiegend eurasische Sprachen untersucht wurden. Verglichen mit den knapp 6.000 existierenden Sprachen weltweit ist dies eine marginale Zahl und nicht repräsentativ. Afrikanische Sprachen wurden in der Studie gänzlich ignoriert. Außerdem könnte die Nutzung der vorgefertigten Texte im Versuchsablauf die Sprachgewohnheiten der Probanden beeinflusst haben. Somit kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass bei spontanen Konversationen die Informationsübertragung ebenfalls bei 39,15 Bits pro Sekunde liegen würde, obwohl sich die Leiter der Studie da sicher sind.
Es wäre ein interessanter Schritt, die Studie auszuweiten, um die sprachliche Vielfalt der Welt stärker zu berücksichtigen.
Um eine Erkenntnis jedoch hat die Studie uns schon bereichert: Egal, in welcher der 17 Sprachen dieser Artikel geschrieben worden wäre – zum Lesen hätten Sie ungefähr gleich lange gebraucht.