Warum der Begriff „Post-Editing“ ausgedient hat

Spätestens seit Machine Translation (MT) eine Rolle im Übersetzungsprozess spielt, gibt es auch den Begriff Post-Editing. Warum wir finden, dass das Wort ausgedient hat.

Warum der Begriff „Post-Editing“ ausgedient hat
By:
Jay Marciano
Date:
Apr 21, 2021

Der Begriff Post-Editing jagt vielen Übersetzer:innen einen Schauer über den Rücken. Es handelt sich dabei um den menschlichen Korrekturprozess einer automatisch generierten Übersetzung. Die Tätigkeit und den Begriff gibt es schon viel länger, als die meisten Menschen wissen. Wir sind der Meinung, dass das Wort Post-Editing in einer Welt, in der Technologie immer stärker in den Übersetzungsprozess integriert wird, ausgedient hat – und zwar aus diesen Gründen:

1.   Das Gegenstück zum Post-Editing ist verschwunden

Der Begriff Post-Editing stammt aus einer Zeit, in der die maschinelle Übersetzung in ihren Möglichkeiten noch sehr eingeschränkt war. Sie war zu unflexibel, um komplexe Sprache zu interpretieren. Deshalb musste der Ausgangsinhalt vereinfacht und normalisiert werden, damit das MT-System überhaupt mehr als nur Wortsalat hervorbringen konnte. Dieser Prozess, bei dem ein Mensch den Eingabetext anpasste, bevor dieser in das MT-System eingespeist wurde, bezeichnete man als „Pre-Editing“. Es war also damals sinnvoll, dieser Aufgabe, die als Gegenstück zur Mängelbereinigung der Maschinenübersetzung existierte, einen gegensätzlichen Namen zu geben: Post-Editing.

Viele der Aufgaben des Pre-Editing sind inzwischen Teil des Authoring-Prozesses und beinhalten automatisierte Schritte wie Grammatik- und Rechtschreibprüfung. Andere Aspekte des Pre-Editing sind gänzlich überflüssig geworden, da besonders die Maschinenübersetzung (NMT) mittlerweile auch komplexe Satzstrukturen sehr viel besser verarbeiten kann.

Pre-Editing ist also nicht mehr nötig. Deshalb sollte vielleicht auch die Vorsilbe "Post-" im Begriff Post-Editing langsam der Vergangenheit angehören.

2.   Der Begriff ist negativ behaftet

Post-Editing ist zwar nicht per se ein schlimmes Wort, es ist aber stark vorbelastet. Viele Übersetzer:innen haben sich an einer schlechten Maschinenübersetzung schon einmal die Zähne ausgebissen. Im Laufe der Jahrzehnte wurden Übersetzer:innen mit der meist recht undankbaren Aufgabe beauftragt, die groben, sich oft wiederholenden Fehler in einer minderwertigen Maschinenübersetzung zu korrigieren. Erschwerend kam hinzu, dass sie diese Arbeit zu einem Bruchteil ihres normalen Wortpreises erledigen sollten, ohne Rücksicht auf den dafür benötigten Zeitaufwand. Diese negativen Assoziationen haften heute immer noch an dem Begriff „Post-Editing“.

In den vergangenen Jahren hat sich jedoch viel verändert: Der Output eines entsprechend trainierten MT-Systems ist inzwischen mit den Fähigkeiten von menschlichen Nachwuchsübersetzer:innen vergleichbar. Erfahrene Übersetzer:innen mit Fachwissen müssen die Ergebnisse immer noch sorgfältig überprüfen. Die lästigen, sich wiederholenden und mechanisch klingenden Fehler der Maschine sind jedoch heute passé.

Daher sind wir bei Lengoo der Meinung, dass es an der Zeit ist, anders über die Arbeit mit Maschinenübersetzungen zu sprechen.

3.   Post-Editing ist einfach Teil des Übersetzungsprozesses

Translation Memories (TM) sind schon seit Jahrzehnten in die Arbeitsabläufe integriert. Allerdings gab es nie wirklich ein explizites Verb für das Anpassen eines Fuzzy-Matches aus einem TM.

Normalerweise verwendet man dafür das Verb editieren, das sicherlich nicht so negativ konnotiert ist wie das Post-Editieren. Vielleicht hat niemand ein eigenes Verb für diese Tätigkeit erfunden, weil sie nie getrennt von der Übersetzung „neuer Wörter“ erfolgt – also Segmente, für die es keine Fuzzy-Matches in einem TM gibt und die von Grund auf neu übersetzt werden müssen.

Aber auch das Post-Editing läuft nie gesondert ab: Der Prozess geht immer mit der Bearbeitung von nützlichen Fuzzy-Matches eines TMs einher.

Sowohl der Abgleich von Segmenten im Ausgangstext mit einem TM als auch die Bearbeitung von nicht im TM enthaltenen Segmenten durch die maschinelle Übersetzung sind fest im Übersetzungsprozess verankert. Die daraus resultierenden Zielsegmente werden Übersetzer:innen in ein und demselben CAT-Tool angezeigt - in der Regel mit Flags, die markieren, welche Zielsegmente Fuzzy-Matches sind und welche maschinell generiert wurden.

Ganz genau genommen sind Translation Memories und die maschinelle Übersetzung nur ein Teil des Übersetzungsprozesses für riesige Content-Mengen.

„Revision“ als Alternative

Klar ist aber auch, dass sich die kognitive Aufgabe, ein Fuzzy-Match zu bearbeiten, von der Überarbeitung einer Maschinenübersetzung unterscheidet. Zum einen geht es darum, notwendige Änderungen an der vermeintlich korrekten Übersetzung eines Ausgangssatzes vorzunehmen, der dem zu übersetzenden Satz zwar ähnelt, aber nicht übereinstimmt. Zum anderen werden notwendige Korrekturen an einer maschinellen Übersetzung vorgenommen, die zumindest auf dem richtigen Ausgangssatz basiert.

Auch wenn beide Prozesse zur heutigen Übersetzungsarbeit einfach dazugehören, sind wir der Meinung, dass es sinnvoll ist, zwischen der Bearbeitung eines TM-Matches und der Korrektur einer maschinell erstellten Übersetzung zu unterscheiden.

Unser Vorschlag: Wenn Übersetzer:innen maschinelle Übersetzungen korrigieren, nennen wir es doch einfach Revision.